Griechische Mythologie
Nach einer langen Reise, die nun schon mehrere Tage dauerte, kam Penthesilea erschöpft und ausgelaugt zu Hause an. Ihre kleinen Geschwister Axel, Efrosyni und Menelaos erkannten sie schon, als sie am Horizont erschien und empfingen sie mit offenen Armen, um sie in den sicheren Hafen zu begleiten. Bei einem nährenden Abendessen würden sie Penthesileas schwere Lasten, die sie beinahe zu erdrücken scheinen von der Seele nehmen.
Warnemünde
Aber zuerst von vorn. Am Montagmorgen packte ich meinen Rucksack und war glücklich als der Zug sich immer weiter von Berlin wegbewegte. Meine Reise ging weiter an die Ostsee. Nach Rostock und von da aus weiter nach Warnemünde. Warnemünde ist eine Hafenstadt, die für ihre Strandpromenade und dem Alten Strom, einem Kanal, bekannt ist. Aber dazu später noch mehr.
Das tollste Hostel
Am frühen Nachmittag kam ich am Bahnhof Warnemünde Werft an. Der Bahnhof ist verziert mit Malereien von Ankern, Meerjungfrauen, Schiffen und typischen Seemännern. Direkt am Bahnhof liegt mein Hostel in dem ich drei Nächte verbringen werde. Und es ist das tollste Hostel, das ich je gesehen habe! Aus alten Schiffscontainern haben sie ein riesiges Gebäude gebaut. Ein Schiffscontainer ist je ein Zimmer. Im öffentlichen Bereich gibt es ein Restaurant, eine riesige Küche mit vier Kochherden zum selbst kochen und diverse Räume, wo man sich die Zeit vertreiben kann. Es gibt eine Gaming-Zone, ein Kino, in jeder Ecke steht ein „Töggelichaste“ (Tischfussballspiel) und es gibt sogar eine Boulderhalle! Die Zimmer sind sehr gemütlich eingerichtet. In meinem 8er Container gibt es zwei Sofas, einen Fernseher, Dusche und separater Toilette und die Betten sind sehr bequem. Dieses Hostel ist wirklich empfehlenswert. Falls du einmal in dieser Gegend sein solltest: Unbedingt ins Dock Inn!
Das Leben an der Ostsee
Mit dem Wissen, dass das Meer wenige Meter von mir entfernt ist, hielt es mich aber trotz cooler Location nicht länger im Hostel. Der Weg zur Promenade führt an dem Alten Strom vorbei, auf dem es viele Schiffe und Fischkutter hat. Auf einigen Kuttern verkaufen sie Backfisch und die Möwen stürzen sich auf die Leckerbissen. Im wahrsten Sinne des Wortes! Möwen sind so frech! Und dann stand ich da und erblickte das Meer. Es ist immer wieder einen schönen Moment nach einer langen Reise in das blaue Nichts bis ans Ende vom Horizont zu blicken. Mit einem Lächeln im Gesicht schlenderte ich bis ans Ende der Mole.
Angekommen
Der Wind zog heftig um meine Ohren und die Wellen zerbrachen an den Felsen. Es roch nach Ozean und ich hatte das Gefühl, richtig durchatmen zu können. Hier fühlte ich mich endlich angekommen und am richtigen Fleck. Trotz dem kalten Wind setzte ich mich auf die Wellenbrecher und genoss das Rauschen und die Schreie der Möwen. Da Warnemünde eine Hafenstadt ist, fahren hier immer wieder Fährschiffe, Kreuzfahrtschiffe und Containerschiffe ein. Es war so spannend diesen Riesen zuzusehen, wie sie langsam in den Hafen fuhren. Jedes Schiff mit einem Namen versehen. Und da kam Penthesilea ins Spiel. Sie war schon lange am Horizont zu sehen gewesen und nun endlich kurz vor dem Hafen. Drei kleinere Schiffe (Axel, Efrosyni und Menelaos) begleiteten das Frachtschiff sicher in den Hafen. Die mythischen Namen erinnerten mich an Geschichten, die ich als kleines Kind schrieb und mir Google irgendwelche Namensideen ausspuckte.

Zeremonie auf der Mole
Immer wieder tauchte ich in meine kleine Fantasiewelt ab. Nur der kalte Wind erinnerte mich immer wieder daran, wo ich mich eigentlich befand. Es gab kaum Leute hier und teilweise war ich ganz allein.
Nach einiger Zeit hörte ich Stimmen hinter mir. Ich drehte mich um und sah die beiden Frauen, die mit einem Strauss Rosen auf die Steine kletterten. Mit leerem Gesichtsausdruck warfen sie jede einzelne Rosen in die Wellen. Die Ältere von den beiden Damen hatte Tränen in den Augen und ich wusste, dass in der Ostsee wohl die Asche einer ihr sehr bedeutenden Person verstreut wurde. Das Meer hat für sie eine andere Bedeutung erhalten. Und als die Rosen auf dem Wasser immer weiter vom Ufer wegtrieben, hatte auch ich Tränen in den Augen. Die beiden Frauen nickten mir zu und machten sich Arm in Arm auf den Rückweg. Es bedeutete mir sehr viel, Teil dieses sehr persönlichen Moments gewesen zu sein.

Sonnenaufgang
Am nächsten Morgen riss mich mein Wecker noch vor vier Uhr morgens aus meinen Träumen. Ich zog mich warm an, schnappte mir Kamera und Stativ und machte mich auf den Weg zur Mole, um den Sonnenaufgang zu sehen. Die Vögel zwitscherten und der Himmel wurde langsam hell. Die Strassen waren leer und nur im Städtchen sah ich einen Postboten, der die ersten Zeitungen verteilte. Noch als ich den Alten Kanal entlangging verfärbte sich der Himmel in ein leuchtendes Pink. Als ich endlich auf der Mole war, vermischte sich das Pink mit den schönsten Farben, die der Himmel zu bieten hat. Es war ein unglaublich schöner Moment.

Teil von einem Moment zu sein
Wieder setzte ich mich auf die Felsen am Ende der Mole. Die ersten Fischkutter machten sich auf den Weg und Fähren erschienen am Horizont. Einer der Fischkutter hupte mir zu und die beiden Fischer winkten wie verrückt. Mir wurde bewusst, was mir in den grossen Städten gefehlt hatte. In diesem Leben voller Hektik geht man so schnell in der Menschenmenge unter. Das Leben spielt sich genau so weiter egal, ob du da bist oder nicht. Hier auf der Mole war ich aber ein fester Teil eines einzigen Morgens im Mai im Jahr 2019, der sich genau so nie wieder abspielen wird. Touristen kommen und gehen. Viele hinterlassen nichts weiter als Abfall.
Es bedeutete mir so viel, diese Frau gewesen zu sein, die um fünf Uhr morgens mit ihrer Kamera fröstelnd auf den Steinen sass und ein riesiges Grinsen auf dem Gesicht hatte, als sie von den Fischern wahrgenommen wurde. Jeder Mensch will doch irgendwie bedeutend sein, ja vielleicht eine Erinnerung hinterlassen oder nie vergessen werden. Dieser Moment machte meinen Tag perfekt.

Fahrradtour nach Nienhagen
Nachdem ich mich noch etwas ausgeruht hatte, entschloss ich, ein Fahrrad zu mieten, um die Küste zu entdecken. Gedacht, getan, fuhr ich auch schon der Promenade entlang. Der Weg führte bald aus der kleinen Ortschaft heraus in ein Wäldchen. Noch nie zuvor stand ich in einem Wald und wenige Meter weiter ging es eine kleine Klippe runter ins Meer.
Ich habe keine Worte für diesen Moment, der mir so viel Kraft schenkte. Nach einiger Zeit mit viel Pausen, um die Gegend in vollen Zügen zu geniessen, kam ich in Nienhagen an. Eine kleine Gemeinde auf einem schönen Fleck dieser Erde. Ich kaufte mir Erdbeeren vom Hof, setzte mich auf eine Bank und genoss die Sicht aufs Meer. Ein Fährschiff entfernte sich vom Festland und bald glitt es übers Ende der Welt hinaus. Möwen kreisten singend (oder besser gesagt schreiend) umher und Segler glitten mit dem Wind in den Segeln übers Wasser. Einfach schön.

Der folgende Tag startete mit einem Stadtrundgang. Ich besichtigte die kleine Kirche im Zentrum und vertrieb die Zeit in einem Bücherladen. Nach einem Kaffee machte ich mich auf den Weg zum Strand. Den ganzen Nachmittag lang las ich ein Buch, schrieb Postkarten und sah den Leuten zu, die ihre Drachen steigen liessen. Möwen wackelten herum und Kinder bauten Sandburgen. Am Abend ging ich wieder einmal essen. Bis jetzt hatte ich die grosse Küche des Hostels ausgenutzt, um selbst zu kochen. Ich wollte unbedingt noch den Sonnenuntergang sehen und kam beinahe zu spät an den Strand. Dieses Farbenspiel, welches ich dann beobachten konnte, raubte mir beinahe den Atem.

Nachdem ich der Sonne zugesehen hatte, wie sie langsam hinter dem Horizont verschwand, ging ich gemütlich zurück ins Hostel. Morgen geht die Reise wieder einmal weiter und es wird mir schwer fallen diesen magischen Ort zu verlassen.
Hier findest du den Beitrag meiner nächsten Etappe, die ich mit Dani verbracht habe.